Technische Beschreibung
der Dampflokomotive SNCF 241-A 65
Schnellzugslokomotive mit
führendem Drehgestell, vier Triebachsen und einer Schleppachse. Erster
Lokomotivtyp Europas mit dieser Achsanordnung.
Die Typenbezeichnung nach dieser Achsfolge heisst in der
Schweiz A 4/7, in Deutschland 2-D-1, in Frankreich 241 und in England/Amerika 4-8-2 (bezeichnet als Mountain"-Bauart, welcher Name auch in Frankreich geläufig war).
Wegen der ausserordentlichen Leistung dieser Lokomotivbauart und entsprechendem Verbrauch an Wasser und Kohle wurden diese stets mit einem sehr grossen, mindestens vierachsigen Tender
gekuppelt.
Die Versuchsausführung beziehungsweise der Prototyp wurde vom Zentralbüro der französischen Ostbahn in Paris konstruiert, durch die bahneigene Werkstatt in Epernay gebaut und am 17. Januar 1925
abgeliefert. Nach gründlicher Erprobung und mannigfachen Änderungen erfolgte der Serienbau, wobei 40 Lokomotiven an die "Est" und 49 gleiche Lokomotiven an die "Etat" geliefert
wurden. Diese Serie wurde in den Jahren 1930 bis 1934 durch die Lokomotivfabriken Cie de Fives in Lille und Cail in Denain geliefert.
Während die Ostbahn ihren Prototyp mit der Betriebsnummer 41001 bezeichnete, die Serie aber mit 241-002 bis 041 (der Prototyp erhielt nach entsprechender Anpassung die Nummer 241-001), erhielten die Lokomotiven der "Etat" direkt die Nr. 241-001 bis -049.
Nach der im Jahre 1938 erfolgten grossen Verstaatlichung der französischen Bahnen erhielten alle diese Lokomotiven die Typenbezeichnung 241-A, wobei das "A" die Ostbahnbauart, im gegensatz zu anderen Bauarten gleicher Achsfolge, bezeichnet. Während die Lokomotiven der Ostbahn nun systematisch von 241-A1 bis A41 durchnummeriert wurden, erhielten die "Etat'-Lokomotiven eine reichlich willkürliche Nummerierung von 241-A42 bis A90. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die vor dem Betrachter stehende 241-A65 die damalige 241-001 der "Etat" ist, was durch Fabrikationsnummer und Akten gut belegt ist. Die 241-A65 wurde 1931 von der Lokomotivfabrik Cie de Fives in Lille mit Fabriknummer 4714 gebaut.
Diese, seinerzeit grösste und leistungsfähigste
Lokomotive Europas ist vor allemgezeichnet durch ihre Bauart nach Deglehn/Dubusquet, hinter welchen Namen sich erfolgreichste Lokomotivkonstrukteure Europas verbergen. Deglehn war Oberingenieur
und Direktor der Lokomotivfabrik Grafenstaden (Elsass) und Dubusquet der mit reicher englischer Lokomotivbauerfahrung entwerfende Oberingenieur der französischen Nordbahn. 'Von Deglehn stammt der
klassische Zweiachsantrieb mit Vierzylinderverbundmaschine (zweifache Dampfdehnung) und
innenliegenden, die erste Triebachse antreibenden Niederdruckzylindern.
Nach Dubusquet erhielt das Fahrwerk keinerlei
Lastausgleich zwischen den Achsen sowie einen biegsamen Blechrahmen mit fest gelagerten Triebachsen. Die Spurkranzschwächung der zweiten und dritten Triebachse ist eine spätere Konzession an enge
Depotkurven. Ebenfalls nach Dubusquet sind die Servomotor gesteuerten Drehschieber in den Verbindungs-Dampfleitungen zwischen Hoch- und Niederdruckzylindern. Durch diese Umsteuerschieber ist es
möglich, beim Anfahren und auch auf Steigungen die Vierzylindermaschine wahlweise als Hochdruck oder in Verbundwirkung zu fahren und auch Mischbetrieb zu verwenden.
Hierzu gehören sowohl ein normaler Hauptregler als auch ein den Überhitzer umgehender Hilfsregler.
Neuland in Europa war der gewaltige Dampfkessel nach amerikanischer Bauart (Pennsylvania Bahn) mit einer durch eine Verbrennungskammer nach vorne verlängerten Feuerbüchse und gemeinsamer flacher Stehkesseldecke (ursprünglich nach dem Belgier Belpair). In die stählerne Feuerbüchse sind alle Stehbolzen und Rohre eingeschweisst. Zwei Thermosyphon-Sieder der Bauart Nicholson tragen das tiefe Feuergewölbe. Im beinahe quadratischen Rost ist ein Kipprost eingebaut. Der Kessel besitzt zwei Dampfdome mit ebenen Deckeln, wobei nach Dubusquet im vorderen Dom der Hauptregler eingebaut ist. Er erhält den Dampf durch ein im Dampfraum eingebautes Rohr aus dem hinteren Dom. Typisch "Est" ist die ausserhalb des Kessels angeordnete Dampfleitung vom Hauptregler über die vordere Rohrwand hinweg zum Überhitzer Kasten in der Rauchkammer. Der Überhitzer nach Bauart Schmidt Kassel besteht aus 30 Elementen von 5,5 m Eintauchtiefe.
Als Speisevorrichtungen dienen zwei Frischdampf- Injektoren Lizenz Friedmann Wien und ein Thermix, sowie ein grosser Abdampfinjektor von Davis-Metealfe, London. Zu dem Verstell Blasrohr mit dem Querschnitt eines vierblättrigen Kleeblattes (Typ trèfle PLM) gehört der weite konische Schornstein.
Von besonderen Interesse ist das zu den vorkommenden Kräften überaus leicht gebaute Triebwerk aus legiertem Stahl, wobei jeder der vier Zylinder seine eigene vollständige Steuerung nach Walschaert/Heusinger besitzt und die inneren Steuerungen durch grosse Exzenter angetrieben werden. Die Kropfachse oder Kurbelwelle besitzt eigenen Massenausgleich, mit rotierender Zusatzschmierung und ist aus neun Einzelteilen durch Aufpressen zusammengebaut. Um diese hochbelastete Kropfachse frei dimensionieren zu können, erhielten die zugehörigen Niederdruckkreuzköpfe eine Versetzung zwischen Triebstangenebene und Kolbenachse von 32 Millimetern, wobei die Linealachse mit der Triebstangenebene zusammenfällt.
Das vom Führer zu betätigende Umsteuergetriebe ist auf der linken Seite der Maschine zwischen zweiter und dritter Triebachse angeordnet und besitzt je eine separate Gewindespindel für Hoch- und Niederdrucktriebwerk, die gegenseitig verstellt werden können. Der Führer steht, wie es in Frankreich meist üblich ist, auf der linken Seite der Maschine. Dach und Führerstandboden sind nach Bauart der "Est" weit nach hinten gezogen, wobei die an sonst übliche, bewegliche Tenderbrücke entfällt. Hierbei sind Lokomotive und Tender über einen Zapfen mit Kugelgelenk miteinander starr gekuppelt Ein registrierender, mit einer mechanisch/elektrischen Zugsicherung gekoppelter Geschwindigkeitsmesser Bauart Flaman, eine Westinghouse-Druckluft-Schnellbremse mit Doppelverbund-Luftpumpe und auf Drehgestell und alle vier Kuppelachsen wirkend, Druckluftsandung aus vier Sandkästen vor alle 8 Triebräder, Zugsheizung mit Nass- und Heissdampf sowie die formschönen Windleitbleche der Bauart "Est" vervollständigen die Ausrüstung dieser, ihrer Zeit weit vorausgeeilten Lokomotive, an deren Entwicklung auch ein später in der Schweiz tätiger Ingenieur massgebend beteiligt war.
Beschreibungdes Tenders
Vierachsiger Tender mit zwei auf Rollenlagern laufenden Drehgestellen, durchlaufenden Längsträgern und genietetem Kohlen- und
Wasserbehälter. Im Kohlenraum ist ein mit Druckluft angetriebener Kohlenschieber eingebaut.
Bei der Versetzung von der "Etat" zur Ostbahn ist leider der ansonsten eingebaute "Schöpflöffel" zum Wasserfassen während voller Fahrt ausgebaut worden. Hierzu gehörten, ungefähr in der Mitte
zwischen Paris und der Atlantikküste, zwischen den Schienen eingebaute mehrere hundert Meter lange wassergefüllte Tröge. Der Tender besitzt Druckluft- und Handbremse, die auf alle Achsen wirken.
Auf dem Wasserkasten ist der Behälter mit Dosiervorrichtung, für die Beimischung von Kesselsteinlösungsmitteln zum Speisewasser nach System TiA montiert.
Der Tender, der heute mit der 241-A 65 gekuppelt ist, wurde 1934 von den Atéliers du Nord in Blanc-Nisseron gebaut.